Äpfel, Nüsse, Fink und Star

© Maikel Das & JNK Verlag 2006

Sich das erste Hamburger Comicfestival zu nennen ist schon recht gewagt. Begreift sich Hamburg doch als "heimliche Comic-Hauptstadt" mit spektakulären Ereignissen in der Vergangenheit und einer großen Zeichner-Szene. Über viele Jahre bot die I.N.C. (Initiative Comickunst e.V.) eine Plattform für Kleinverleger und Zeichner ihre Werke der Öffentlichkeit mit ihren Heftich Independent-Börsen zu präsentieren. Die I.N.C. ist mittlerweile selig eingeschlummert. In das entstandene Hamburger Vakuum aus Lethargie und Stumpfsinn sind Sascha Hommer und Haina Fischer gesprungen. Sie organisierten mit neuen Konzepten und frischen Ideen einen gelungenen Neuanfang. Raus aus dem miefigen Underground-Ghetto, hin zu einem bunten Weihnachtsmarkt mit Klein- und Selbstverlegern, Künstlern, Händlern, Ausstellung & Show-Programm.

Sascha Hommer ist Absolvent und Graue Eminenz der HAW Hamburg (Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ehemals Fachhochschule für Gestaltung), eine Hochburg der lokalen Comic-Szene. Außerdem ist er Verleger der Comic-Anthologie "Orang" und zusammen mit Arne Bellstorf Gründer der Kiki Post, heute ein Sublabel von Reprodukt.
Haina Fischer penetriert Ohren als "Salamandroid" mit so genannten Hörspielbreaks. Sehr viel angenehmer sind jedoch seine liebevollen Comic-Strips. Den Comixene-Lesern ist er auch als Co-Autor der Handgetackert-Rubrik bekannt.

Mitten im Schanzenviertel gelegen, welches sich vom sozialen Brennpunkt zur trendigen Amüsiermeile entwickelt hat, fand das Festival im Haus 73 statt. Ehemals beherbergte das Gebäude einen Teppichhändler, vor gut hundert Jahren war es Teil eines Theater Komplexes und seit kurzem ist die Ruine ein beliebter Kultur-Treff. Comicfestivals in Ruinen abzuhalten haben in Hamburg schon fast Tradition. So ganz kann man sich von seinen "Underground-Wurzeln" eben doch nicht trennen.

Zentrum der Veranstaltung war natürlich die Verkaufsbörse. Hier gab es erfreulich viele, neue Verlage zu entdecken, die den weiten Weg nicht gescheut hatten. Salleck Publications hatte sich in die Hansestadt begeben und Strapazin war ganz aus der Schweiz in den Norden gereist. Hummelcomic vertrat Carlsen Comics vor Ort. Lokalmatador Zwerchfell durfte natürlich nicht fehlen. Mit dem Avant Verlag, Edition 52, Edition Modern und Reprodukt waren weitere interessante Kleinverleger anwesend. Ebenfalls wichtig für diese Art von "künstlerisch, motivierten" Börsen sind die Kleinst- und Selbstverleger bzw. Künstlergruppen, wie Renate oder Herrensahne. Sicherlich sind auch auf dieser Börse nicht alle Aussteller auf ihre Kosten gekommen, aber es kamen viele Besucher und besonders am Abend war das Rahmenprogramm gut besucht.

Zwerchfell-Verleger Christian Heesch verbreitet gute Laune
seltener Gast: Eckart Schott von Sallek Publications
Calle Claus extrem unvorteilhaft fotografiert am Edition 52 Stand

Wo Sharkey schrill von der Bühne keift, kann die Hand von Fil nicht weit sein...
Höhepunkt einer jeden Comicveranstaltung sind Auftritte vom Berliner Comiczeichner (Didi & Stulle bei Reprodukt) und Kabarettisten Fil. Seine Shows sind das Sprachrohr einer (West-)Deutschen Großstadt-Generation, die heute um die 40 ist und nun ihre Midlife-Krisen bewältigen müssen. Sein Publikum beglückte er diesmal barfuss im Squawkostüm. Gnadenloses Pflichtprogramm für Jeden im mittleren Alter.

Außerdem gastierte der Schnellzeichenwettbewerb Comicbattle auf dem Festival und die Berliner Sidekick Promotion machten Puppentheater, basierend auf dem Comic Kommissar Toumi der französischen Zeichnerin Anouk Ricard. Mit Musik von The Beat Woelm.
Jetzt wissen die Organisatoren, nach eigenen Aussagen von Haina, was man beim ersten Mal alles falsch gemacht hat und kann beim zweiten Mal vieles verbessern. Hoffen wir also auf eine Fortsetzung des Festivals.
Und wer am Sonntag genug von Comics hatte, konnte im Foyer als Kontrastprogramm zu den Klängen von Duke Ellington und Ella Fitzgerald Lindy Hop lernen, veranstaltet von der Swing Werkstatt. Das war auch nett anzuschauen.

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