Ein langgehegter Wunsch von mir, war es, einmal einen amerikanischen Comic-Con zu besuchen. Aber nicht nur deshalb zog es mich Anfang August nach Chicago zum Wizard World Con, sondern auch wegen der Blues Clubs und Freude, die ich dort treffen wollte. So konnte ich das Nützliche mit dem Schönen verbinden.
Der Wizard World Con (ehemals Chicago Comic Con) ist, nach San
Diego, mit ca. 30.000 Besuchern der zweitgrößte Con seiner
Art. Aus europäischer Sicht ist die Veranstaltung eigentlich kein
"reiner" Comic Con, sondern eher ein "Pop Con", auf dem sich auch
Schauspieler, Wrestling Stars, Playboy Bunnies vergangener Zeiten u.a.
Attraktionen der Medienlandschaft tummeln. Es gibt keine Ausstellungen,
"Elefantenrunden" oder öffentliche Krisengespräche. Allenfalls
gibt es "Frage und Antwortsitzungen" bei dem Verlage und Künstler
artig Fan-Fragen beantworten. Ich muß gestehen, daß ich etwas
den Kontakt zu amerikanischen Comics verloren habe und mich vieles nicht
mehr interessiert. Dennoch erlaube ich es mir, Euch mit meinen subjektiven
Eindrücken vom Wizard World Con zu beglücken.
Convention Ehrengast war J. Michael Straczynski, Schöpfer
und Produzent von Babylon 5, Autor unzähliger Fernsehserien,
Artikel und Geschichten. Mit 45 Jahren gehört JMS, wie ihn seine Fans
nennen, zu den profiliertesten Autoren, die derzeit in der Fernsehindustrie
arbeiten. Seit April '99 erscheint bei Top Cow die Maxiserie Rising Stars.
Die Serie läuft so erfolgreich, daß Top Cow Straczynski
ein eigenes Label, Joe's Comics, anbot. Erste Ausgabe ist Midnight
Nation im September, eine dunkle Fantasy-Geschichte, gezeichnet von
Gary Frank.
Wenn Straczynski schreibt, fließt auch immer etwas von
seinem humanistisch geprägten Weltbild mit hinein. Das läßt
sich am besten mit den Worten des Alten Fritz beschreiben, "Jeder nach
seiner Fasson". Es ist schwer ihn in eine Schublade einzuordnen. Es gibt
zu viele Ecken und Kanten. Genau darin liegt JMS Stärke und der Erfolg
seiner Geschichten. Während seines Panels, erzählte er über
die Zusammenarbeit mit dem SF-Autor Harlan Ellison, der in den Credits
von Babylon 5 als "Conceptual Consultant" aufgeführt wird. Gerade
erschienen ist Tribulation, Straczynski's kostenloser Online-Roman
bei www.bookface.com. Eine gedruckte Ausgabe wird man bei darktales.com
bestellen können. J. Michael Straczynski ist seit je her ein großer
Befürworter, die neuen Chancen und Wege des Internets zu nutzen. Ein
Rising Stars Kinofilm befindet sich in Vorbereitung bei MGM.
Das Drehbuch wird natürlich JMS selber verfassen. Die eigentliche
Top-Meldung ist jedoch, daß es eine Rising Stars Fernsehserie
geben wird. Die Verträge sind bereits unterzeichnungsreif ausgearbeitet
mit Joe als Ausführenden Produzenten.
Mein Hauptanliegen war es, neue Dinge zu entdecken, die mir bisher entgangen
waren. So zog es mich eher zu den Kleinverlegern, als zu den "Global
Players". Mein persönlicher Favorit war Top Shelf Productions.
Der von Brett Warnock und Chris Staros 1997 gegründete Verlag,
hat bereits 20 Graphic Novels und Tradepaperbacks verlegt. Darunter die
komplett-Ausgabe von Alan Moore und Chris Campell From Hell.
Top Shelf ist das amerikanische Äquivalent eines europäischen
Kleinverlages, wie Reprodukt oder Zwerchfell. Es gibt also keine großbusigen
Frauen und Muskelmänner zu sehen. Verlags-Highlight ist derzeit das
Graphic Novel Good-Bye, Chunky Rice von Craig Thompson. Es erzählt
die Geschichte einer kleinen Schildkröte, Chunky Rice, der sein Zuhause
verläßt und in die weite Welt zieht. Seine Mäusefreundin,
Dandel, bleibt in der Stadt zurück. Auf dieser klassischen Reise geht
es um große Themen, wie Selbsterfahrung und der tiefere Sinn des
Lebens. Die spitzfindige Geschichte über menschliche Verluste und
Beziehungen erhielt großartige Kritiken in der Fachpresse und von
Comic-Veteranen, wie Alan Moore und Jeff Smith.
Die Wiederauferstehung der Sovietunion mag für viele nicht sonderlich
erstrebenswert sein, Für Image ist die neue, monatlich erscheinende
Serie The Red Star jedenfalls ein Hit. Die ersten beiden Ausgaben
verkauften sich, wie warme Semmeln während des Wizard World Cons.
Christian Gossett, der Schöpfer, beschreibt The Red Star als
eine mystisch, veränderte Version über den Aufstieg und Fall
der UdSSR. Sechs Jahre Recherche stecken in diesen Projekt, um die Soviet-Technologie
in Verbindung mit Science Fiction und Fantasy Elementen überzeugend
darzustellen. In dieser Alternativ-Welt wimmelt es von technisch, manipulierten
Zombies, alten Geistern, mächtigen Magier und riesigen, fliegenden
Schlachtschiffen. Da Christian Gossett ebenfalls vier Jahre Erfahrung im
Videospiel-Geschäft mitbringt, arbeitete er zusammen mit seinem Team
daran, 3-D Hintergründe mit gezeichneten Figuren "nahtlos" zu verschmelzen.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Handlung setzt ein, nachdem die
"Union der vereinten Republiken des Roten Sterns" (die Alternativversion
der UdSSR) den Krieg gegen Al'lzataan (Afghanistan) verloren hat. Die "Allianz
der Westlichen Transnationalisten" (na, wer ist das wohl?) dominiert das
Wirtschaftssystem. In dieses von Chaos und Bürgerkrieg zerfallenden
Reich, macht sich eine Gruppe von Helden auf, ihr Land zu retten. Ihre
Suche führt sie in die tiefen der Unterwelt, wo es gilt, das Gefängnis
der Seelen zu zerstören, um die Geister ihrer Vorfahren zu befreien.
The Red Star scheint eine vielversprechende Mischung aus Science Fiction,
Fantasy, russischer Mythologie und etwas Geschichte zu werden.
Mit einen großen, bunten Stand war Newcomer CrossGen in
Chicago vertreten. Mark Alessi, erfolgreicher Geschäftsmann,
Comic-Fan und Originale-Sammler hat zusammen mit seiner Cousine Gina
Villa den Start von CrossGen lange vorbereitet. Letztes Jahr begann
man eine Mischung von jungen Talenten und altgedienten Veteranen zu verpflichten.
Darunter Barbara Kesel (DC, Dark Horse) als "Head Writer". Ab Januar
wird Mark Waid (JLA) als "Senior Writer" dazustoßen. Dafür
wird er sogar seine Zelte in New York abbrechen und zum CrossGen-Stammsitz
nach Tampa, Florida ziehen. Im Juni feierte das neu geschaffene Universum
mit 5 Ausgaben sein Debüt. Das CrossGen-Symbol, zwei ineinander verschlungene
Feuerbälle, verleihen seinen Träger ungewöhnliche Kräfte,
worüber gottähnliche Wesen argwöhnisch wachen. Jeder der
Träger wird mit einer eigenen Serie, mit verschiedenen Genreschwerpunkten
gewürdigt. Mit fortschreitender Handlung werden die Geheimnisse des
Symbols, ihrer Träger und der Gottwesen aufgeklärt. Inhaltlich
ist das zwar alles nicht mein Ding, aber es ist professionell, sowohl vom
Marketing als auch vom Konzept durchdacht. Mal sehen, ob CrossGen sich
dauerhaft etablieren kann oder es nur ein Strohfeuer wird.
Von den Majors, gibt es eigentlich nicht viel zu berichten. Dark Horse
verteilte massenhaft Freebies, Redakteure beäugten kritisch die Mappen
junger Talente, aber Comics kaufen konnte man nicht. Das neue Will Eisner
Buch Last day in Vietnam mußte ich mir anderweitig besorgen. Anfänglich
war ich leicht irritiert. Hatte ich, in meiner Naivität doch erwartet,
dass auf einer Comic-Convention Verlage ihr Programm in Form von Heften
präsentieren. Die großen Verlage wie Marvel und DC hingegen,
hielten nur Signierstunden ab und verteilten Werbeschnickschnack. Gut,
habe ich wieder etwas gelernt. "Die Großen" lassen ihre Sachen
zuhause. Man kennt ihre Helden soundso.
Während des Guest Panels von Kevin Smith, präsentierte
er neue Folgen von Clerks, die animierte ABC TV-Serie. Natürlich mit
Jay und Silent Bob. Die Cartoon-Serie ist etwas "entschärft", gegenüber
dem Film Clerks. Sie ist nun mal an ein junges Fernsehpublikum gerichtet.
Die Show ist aber immer noch witzig.
Ansonsten habe ich mir noch die Trailershow kommender Kinofilme angesehen
und den Men behind the Mask Auftritt der Star Wars Schauspieler
Peter Mayhew (Chewbacca), David Prowse (Darth Vader), Jeremy
Bulloch (Boba Fett) und Garrick Hagon (Biggs). Das brachte keine
neuen Erkenntnisse für mich, aber als Star Wars-Fan der 1. Generation,
wollte ich mir das Panel nicht entgehen lassen. Die Men behind the Mask
Show der Star Wars Nebendarsteller tingelt mit wechselnden Besetzungen
seit Jahren von Con zu Con. Es gibt kaum ein Flecken der westlichen Hemisphäre,
wo sie noch nicht signiert haben. Irgendwie hat es etwas rührendes
und tragisches an sich.
Gespannter war ich da schon auf den Auftritt von Ray Park. Mit
erst 25 Jahren und drei Rollen als Darth Maul in Episode I, als Kopfloser
Reiter in Sleepy Hollow und jetzt als Toad in The X-Men hat sich der Martial
Arts Spezialist in die Herzen des Fandoms gespielt. Ray machte einen
sehr ehrlichen und offenen Eindruck auf der Bühne, trotz der typisch-doofen
Fanboy-Fragen. Es ist erfrischend zu sehen, daß es noch unverbrauchte
"Stars" gibt.
Ein immer wieder gern angelaufener Stand, war der meines Freundes Matt Busch, freier Illustrator aus Detroit. Die Wizard World war sein erster Con außerhalb des "Artist Alley-Ghettos", hinein zu den "Etablierten" - auch wenn es nur gegenüber der Würstchenbude war. Seine Arbeiten zieren zunehmend Titelbilder und Trading Cards Sets amerikanischer Serien. Für verschiedene TV Sitcoms und Kinofilme, wie Eine schrecklich nette Familie, Con Air oder Matrix entwarf er das Produktionsdesign mit. Als typischer Vertreter der von Star Wars geprägten Künstlergeneration, gehört er seit kurzem mit zur erlesenen Gruppe von Lucasfilm anerkannten, "offiziellen" Star Wars Künstlern. Seine Arbeiten sind regelmäßig im Star Wars Insider und Star Wars Kids Magazine zu bewundern. Matt gestaltete ebenfalls drei Motive zum kanadischen Episode I Start. Nur in Deutschland ist Matt Busch noch ein fast unbeschriebenes Blatt. Und das ist eine Schande! Ich bin mir sicher, dass er in den nächsten Jahren zu der Riege, der ganz großen Künstler vorstoßen wird.
Nach Toresschluß ging es mit Matt, seiner Freundin Sarah,
seinen Bruder Ian und mit noch einigen anderen zu Hotel, um sich dort zwei
Stunden lang der Happy Hour, mit alkoholischen Freigetränken
hinzugeben. Danach zog man, schon recht happy, weiter zum Essen. "Rädelsführer"
war jener Mensch, der in Pittsburgh die Comic Cons organisiert. Mir war
er nicht weiter bekannt, noch kenne ich seinen Namen. Er schleppte uns
in ein piekfeines Restaurant. So ein Laden, mit Empfangsdame am Pult, inklusive
Telefon. Dem Koch konnte man beim Brutzeln zusehen und Wünsche äußern,
wie man sein Essen gerne hätte. Es hatte etwas Blues Brother-mäßiges
an sich, mit einer ausgelassenen Comic-Schar dort zu dinieren. Ich
sah bereits meine Kreditkarte dahinschmelzen bei den Preisen. doch der
"Pittsburgh-Mensch" hat für alle bezahlt! Das muß ein Vermögen
gekostet haben... und ich kenne noch nicht mal seinen Namen.
Tags darauf schauten wir kurz bei der Comic Book Legal Defense
Fund Members Reception vorbei. Dort fand die Abschlußveranstaltung
der eBay Auktionen und dem CBLDF statt. Prunkstück dieser Auktion
war Neil Gaimans Lederjacke. Wir waren nur kurz da, deswegen weiß
ich nicht, wer was, wie teuer erstanden hat. Einen kleinen Abstecher
machten wir noch zur Earth X Hardcover Premiere Party von Marvel.
Dort erschienen wir zu fortgeschrittener Stunde, so dass die Musik- und
Video Aktionen bereits gelaufen waren und der Tisch mit leckeren Hors D'Oevres
geplündert war. Was es noch zu bewundern gab, waren die Vitrinen mit
Earth X Props, Gemälde mit Earth X Charakteren und ein armes Schwein,
der den ganzen Abend in einem Daredevil Kostüm dort herumrennen mußte.
Das jedenfalls, war gelungen und im Zusammenspiel mit dem gedämpften
Licht, ließ eine düstere Earth X Atmosphäre aufkommen.
Das Händlerangebot war reichlich und vielfältig. Kreditkarten werden fast überall akzeptiert. Das macht es besonders einfach sein Geld zu verplempern. Oberste Direktive ist Preise zu vergleichen. Selbst bei Neuwaren gibt es ziemliche Unterschiede. Also Augen auf und gelassen bleiben. Das ist natürlich einfacher gesagt als getan. Es war ein unglaublicher Kraftakt der Selbstkontrolle, im Rahmen meines Budgets zu bleiben. Neben einigen Neuerscheinungen und Lückenfüllern, erwarb ich viele Silverage Spider-Mans und die hübsche Katchoo Büste aus Stranger in Paradise.
Die Wizard World war sicherlich nicht mein letzter amerikanischer Con, wenngleich bei dem derzeitigen Dollar-Kurs nicht so bald mit einer Rückkehr in die Vereinigten Staaten zu rechnen ist. Die Aussicht auf neue Entdeckungen, persönliche Erfahrungen, seltene Sammlerstücke und auch Freunde aus dem Fandom zu treffen, lassen eine Pilgerfahrt zu den Stätten der amerikanischen Popkultur immer als ein lohnendes Ziel erscheinen.